Vogelstimmen erkennen

Jetzt ist die Zeit, Vogelstimmen zu lernen! Eigentlich bin ich eh schon recht spät dran mit diesem Aufruf, aber noch ist ein guter Zeitpunkt um damit anzufangen. Später im Frühling, wenn die Ziehvögel aus ihren Winterquartieren im Süden zurück sind, ist die Vielfalt für den Anfang etwas unüberschaubar, und im Sommer singen schon einige Vögel nicht mehr ihren Vollgesang.
Vollgesang? Was soll das denn sein? Über Vogelsprache habe ich ja schon in meinem Beitrag zum Sitzplatz einige Bemerkungen gemacht, und eine volle Behandlung des Themas wäre hier viel zu ausufernd für den Moment. Halten wir aber fest, dass Vögel wie die meisten Lebewesen ständig auf ihre Umwelt reagieren. Diese Reaktionen können wir und andere Lebewesen dann lesen und so die Puzzlestücke zusammenfügen und weit mehr über unsere Umgebung erfahren als unsere Sinne uns zunächst erlauben. Wenn in einiger Entfernung plötzlich ein Schwarm Meisen vom Boden auffliegt, kann ich das als Reaktion auf etwas lesen, das ich selbst nicht sehe – z.B. dass dort eine Katze vorbei spaziert. Neben der Körpersprache (hast Du schonmal gesehen wie Vögel den Kopf lang machen, wenn sie irritiert sind?) kennen wir natürlich besonders die Laute, die Vögel zwitschernd, krähend, piepsend, kreischend etc. von sich geben. Hier gibt es einige verschiedene Arten von Lauten:
  • Kontaktrufe (kurze Pfiffe oder andere Töne, mit denen die Vögel sich meist innerhalb einer Art verständigen)
  • Bettelrufe (das hungrige Geschrei der Küken)
  • Warnrufe (verschiedene Formen, die sich auf verschiedene Gefahren richten, oft auch nur Territorialverteidigung/Schimpfen)
  • Gesang
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Was ist das für ein Vogel? Schaut aus wie eine Amsel, oder? Aber haben Amseln normal nicht einen orangen Schnabel?

Heute geht es mir um den Gesang. Wenn Ornithologen ein Gebiet vogelkundlich kartieren, also einzeichnen, welche Vogelarten dort leben, dann tun sie das im Frühsommer, und über ihr Gehör: am Gesang kann man jede Vogelart ganz genau bestimmen. Während Rufe oft ähnlich klingen hat jede Vogelart ihren spezifischen Gesang – und ihn lassen sie vom Vorfrühling bis in den Spätherbst, je nach Art unterschiedlich, erklingen. Denn der oft wunderschöne Gesang dient auch (vermutlich vor allem) der Reviermarkierung. Sehr gut kann man das bei sogenannten „Wartensängern“ wie der Amsel erkennen – sie sitzt oft auf einem herausragenden Ort, einer Warte (z.B. auf dem Giebel eines Hauses oder einem Baumwipfel) und lässt von dort weithin hörbar ihren Gesang erschallen.

Vogelstimmen lernen
Wenn der schöne Vogelgesang uns also erlaubt auf eine bestimmte Art dahinter zu schließen, dann bringt uns die Kenntnis der Stimmen plötzlich eine unerwartete Erweiterung unserer Lebenswelt! Stell Dir vor, das diffuse Gezwitscher, was Dir vorher kaum aufgefallen ist, wird plötzlich ein Rotkehlchen – ohne das Du es im Gebüsch sehen kannst; im Vorbeigehen zwitschert es und Du nickst erfreut vor dich hin: „hallo, Rotkehlchen“. Z.B. sechs verschiedene Vogelarten mit geschlossenen Augen gleichzeitig in der Umgebung wahrzunehmen bringt in meiner Erfahrung eine ungeahnte Sensibilität für den Raum in dem wir und viele andere leben und ein sehr großes Stück Lebensqualität. Wie also lerne ich Vogelstimmen?

  1. Hinhören. Versuche jede Vogelstimme die Du nicht 100% sicher zuordnen kannst zu lokalisieren und von den anderen Geräuschen abzugrenzen. Präge Dir die Melodie, den Rhythmus ein – am Besten klappt das, indem Du versuchst sie nachzuahmen! Du kannst Dir auch Eselsbrücken bauen oder versuchen das Geräusch in Sprache zu fassen: z.B. twit twit; oder „würzgebier“ (so wird oft der Buchfink niedergeschrieben).
  2. Nachschauen. Ideal ist es, wenn Du oft (z.B. am Sitzplatz) ein Fernglas zur Hand hast, um auch auf größere Entfernung einen Blick auf den Vogel zu erhaschen. Wenn Du dich aber entspannt und indirekt, leise näherst, kannst Du auch oft nah genug rankommen um mit freiem Auge einen guten Blick auf den Vogel zu erhaschen. Aber auch hinschauen will gelernt sein! Kannst Du ihn danach in einem Bestimmungsbuch wiederfinden? Irgendwo war er rot, aber wars auf dem Kopf oder an der Brust? Genaues Erfassen von Details ist eine Übungsfrage; ich versuche immer die Größe (zwischen Spatz/Amsel/Taube z.B. als Vergleich), die Schnabelform (lang und dünn oder kurz und dick z.b.) und die grobe Färbung zu erfassen. Im zweiten Blick konzentriere ich mich dann darauf, genau zu sehen wie die Färbung über den Körper verteilt ist. Das kann man auch zuhause mit einem Bestimmungsbuch üben: einen Vogel 10 Sek. lang anschauen und dann zeichnen versuchen – gar nicht so einfach!
  3. Nachhören. Wieder zuhause, oder wenn Du eine entsprechende App hast auch unterwegs, kannst Du dann deiner Vermutung nachgehen und hören, ob es dieser Vogel war. Auch ein Vogelbestimmungsbuch zuhause ist wichtig und kann Dich weiterbringen.
  4. Wiederholen und wiederholen. Diesen Ablauf solltest Du jetzt jedes Mal wiederholen, wenn Du einen Vogel hörst, bei dem Du dir nicht absolut sicher bist. Durch die Wiederholung prägt man sich erstaunlich schnell die Vogelstimmen ein, auch wenn es am Anfang frustrierend sein mag.

Vor drei Jahren habe ich im Frühling damit begonnen, bei jeder Vogelstimme aufzumerken und oft erst locker gelassen, als ich den Vogel gefunden hatte. In diesem Sommer habe ich ca. 25 Vogelstimmen kennengelernt und damit wahrscheinlich 95% der Vogelgeräusche zuordnen können. Tatsächlich machen in Siedlungsgebieten aber auch auf dem Land 10 Arten schätzungsweise 90% der Stimmen aus. Wenn Du die Stimmen von Amseln, Haus/Feldsperling, Buchfink, Grünfink, Rotkehlchen, Hausrotschwanz, Mönchsgrasmücke, Zilpzalp, Kohlmeise und Blaumeise lernst, hast Du mit wenig Aufwand schon sehr viel gelernt!

Ein Quiz gibt es auch hier vom NABU online.

So, jetzt wünsche ich Euch einen schönen Frühling!

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