Was heißt hier „klimaneutral“? Über Greenwashing bei CO2-Kompensationen

NATURGRÜN ist „klimaneutral“ – wirklich? Versuch einer Orientierung

Während schon seit langem Flug- aber auch Busreisen sich per Häkchen „CO₂-neutral“ schalten lassen, werben neuerdings immer mehr Firmen mit Klimaneutralität. Wo und wie aber überall mit CO₂-Einsparung vermeintlich das Klima gerettet wird, ist teilweise haarsträubend.

Trugbild „Bäume pflanzen“

Dass Bäume während ihres Wachstums der Atmosphäre CO₂ entziehen und im Holz binden ist bekannt. Es scheint also eine rein rechnerische Frage von x gepflanzten Bäumen zu sein, um das Klima wieder auf ein gesundes Maß zurückzuschrauben. Zudem sind Bäume wunderschön, und bald noch größere Sympathieträger als Bienen. Aber ähnlich der vermehrten Bienenhaltung ist auch das einfache Bäume-pflanzen eine Übersimplifizierung, die mehr schadet als dass sie hilft. Die Honigbiene ist keineswegs bedroht und vielmehr eine Nahrungskonkurrentin zu den hunderten Arten z.T. vom Aussterben bedrohter Wildbienen. So wie Biodiversitätsverlust und Insektensterben im Kurzschluss „bienenfreundliche“ Dinge hervorbringen, die vorrangig den Honigbienen nutzen und Wildbienen oftmals schaden, scheint die Klimakrise hartnäckig die Assoziation „Bäume pflanzen“ als ihre Lösung hervorzubringen.

Ein Baum bindet CO₂ in seinem Holz, richtig. Bis der Baum allerdings eine Größe erreicht hat, in der er über eine nennenswerte Blattmasse relevante Mengen CO₂ aufnimmt, vergehen gern ein paar Jahrzehnte. Im beschleunigten Klimawandel mit Dürren und Stürmen sind ein paar Jahrzehnte viel Zeit. Aber selbst wenn der Baum gedeiht und dann im Forst mit 80-100 Jahren gefällt wird, stellt sich die Frage, was mit dem Holz passiert: als Bauholz bleibt es für längere Zeit erhalten und das CO₂ ist weiterhin gebunden; wird es aber zu Papier oder anderen kurzlebigen Produkten verarbeitet, geschieht früher oder später das, was beim Verbrennen oder Verrotten als Totholz unmittelbar geschieht – das CO₂ kehrt in die Atmosphäre zurück. Nur wenn man ein sicheres Aufwachsen der Bäume und die langfristige Verwendung des Holzes gewährleisten kann, kann man glaubhaft von CO₂-Kompensation sprechen – beides ist aber so gut wie unmöglich.

Für die Globale Erwärmung ist damit leider trotzdem weniger gewonnen als man glauben mag: durch den „Albedo“-Effekt nehmen die dunklen Waldpartien mehr Wärme aus dem Sonnenlicht auf als unbewaldete Flächen und tragen so – trotz CO2-Bindung – zur Aufheizung bei! Weideland hingegen bindet CO2 in den Boden zurück – mehr als dies im Wald geschieht! – und trägt durch den Albedo Effekt eher zu einer Abkühlung bei. Ein weiteres wichtiges Argument für extensive Weiden, die neben wichtigen klimatischen Effekten auch ökologisch extrem wertvoll sind.

CO2-Bilanz erstellen

Meine persönliche CO₂-Bilanz kann ich z.B. mit dem Rechner des Umweltbundesamtes ermitteln. Natürlich sollte es dann darum gehen, die eigene Lebensweise zu hinterfragen und zu verändern. Darauf weisen auch die meisten Kompensationsanbieter unermüdlich hin. Der Status Quo der Industrienationen lässt sich nicht einmal ansatzweise durch entsprechende Maßnahmen kompensieren, eine massive Veränderung unserer Wirtschafts- und Lebensweise ist unausweichlich. Erst wenn ich mich bereits für die am wenigsten klimaschädliche Option entschieden habe, die ich nicht mehr vermeiden kann, machen die Kompensationsangebote wirklich Sinn. Trotzdem darf man bei einem solchen Blick auf den eigenen Fußabdruck nicht aus den Augen verlieren, dass die entscheidenden Stellschrauben (Industrie, Energie) in der Politik liegen und nicht so sehr bei individuellen Konsumentscheidungen.

Hat man nun seine CO₂-Bilanz ermittelt, z.B. den deutschen Durchschnitt von 11 Tonnen/Jahr, oder die Bilanz einer bestimmten (Flug)-Reise kann man diese mit verschiedenen Kompensationsangeboten aufwiegen.

Im Dschungel der Anbieter

Vergleicht man verschiedene Anbieter, verwundert vielleicht die unterschiedliche Bepreisung der CO₂-Kompensationen. Prinzipiell geht es ja darum, dass meine unvermeidlich emittierte Menge CO₂ an anderer Stelle durch bestimmte Maßnahmen wieder eingespart wird. Diese Maßnahmen variieren allerdings stark, und es gibt eine ganze Reihe von Standards und Zertifikaten, die garantieren sollen, dass diese Maßnahmen entsprechend sinnvoll sind – gemäß den SDGs („Sustainable Development Goals“) der UNO. Dieser wachsende Markt ist nicht einfach zu durchblicken; prinzipiell betreffen die meisten Projekte Länder des globalen Südens, wo beispielsweise einfache Holzöfen durch effiziente und rauchfreie Verbrennung gesundheitliche mit klimatischen/ökologischen (weniger Brennholzbedarf = weniger Holzeinschlag = weniger Lebensraumverlust für bedrohte Arten) Vorteilen koppeln. Empfehlenswert scheint hier vor allem der gemeinnützige Anbieter atmosfair, der für Effizienz und Transparenz ausgezeichnet wurde, hohe Standards geltend macht und sich auch gegen Aufforstungsprojekte ausspricht.

Einen anderen Ansatz haben die regionalen MoorFutures, Naturschutzprojekte der Länder Schleswig-Holstein und Brandenburg. Hier finanziert man mit seinem Beitrag die Renaturierung von Moorflächen. Deren Wiedervernässung stoppt die laufenden Emissionen trockengelegter Moore und bindet langfristig zusätzliches CO₂ aus der Luft. Dieser wissenschaftlich begleitete und aufwendig umgesetzte Prozess hat jedoch seinen Preis, die kompensierte Tonne CO₂ kostet hier das Dreifache ggü. der Tonne CO₂ die bei atmosfair kompensiert wird.

Klar, dass der Preis für die Kompensation mit verschiedenen Maßnahmen variiert. Einen ganz anderen Ansatz vertritt demgegenüber das Projekt ClimateFair: dort kann man dezidiert keine Kompensationen erwerben, sondern für die Folgekosten der Emissionen einstehen. Das Umweltbundesamt berechnet den Schaden, den eine Tonne CO₂ in der Atmosphäre anrichtet mit 180 €. Das ist das Dreifache dessen, was eine Tonne MoorFutures kostet. Diese Kosten veranschlagt ClimateFair als Grundlage für eine ehrliche Diskussion, lässt dann aber den Spender:innen offen, wieviel sie davon übernehmen wollen. Die Gelder speisen einen Fonds, aus dem Investitionen in erneuerbare Energien finanziert werden – vor Ort und für alle sichtbar und motivierend. Die Einnahmen aus dem produzierten grünen Strom werden dann wiederum an Projekte ausgeschüttet, die zur Transformation einer nachhaltigen Gesellschaft beitragen, wie Repair Cafés etc.

Naturgrün und die Klimawette

Ja, NATURGRÜN hat 2021 bei der „Klimawette“ teilgenommen und 4t CO₂ kompensiert, etwas mehr als vermutlich im Laufe eines Jahres durch meine planerische Tätigkeit entsteht. Gerne unterstütze ich das Projekt, das sein ehrgeiziges Ziel wohl leider nicht annähernd erreichen wird, indem ich hier darauf aufmerksam mache!